Für das #TABinterview trafen wir Katrin Sergejew. Die 37-jährige Modedesignerin stammt aus der Nähe von Jena und hat sich 2007 mit ihrem Label kaseee selbstständig gemacht. Die gesamte Produktion – vom Entwurf der Kollektionen bis zur Fertigung – findet mit sieben Mitarbeiterinnen in Apolda statt. Eine Besonderheit im schnelllebigen Modebusiness. Im September wurde sie als Thüringens Unternehmerin des Jahres mit dem Emily-Roebling-Preis ausgezeichnet, den die TAB als Sponsorin unterstützt. Mit uns sprach sie über kalte Gründungsjahre, erste Erfolge und darüber, warum Apolda ihr größtes Glück ist.
Zur Website von kaseeeMit 15 Jahren. Interesse für Mode würde ich es zwar nicht nennen; ich war nie so affin dafür. Ich wollte eher wissen, wie man es macht. Das hat mich an der Bekleidung so gereizt. Es ging nicht in erster Linie um das „was“, sondern um das „wie“.
Ich habe eine Ausbildung als Modegestalterin gemacht. Dafür habe ich mich aus praktischen Gründen gegen das Abitur entschieden. Dabei hatte ich extra die Schule gewechselt, damit ich Abitur machen kann. Während der Ausbildung habe ich schnell gemerkt: Das ist mein Ding. Nach dem Abschluss wollte ich deshalb noch studieren. Man konnte das bei besonderen Fähigkeiten und einem superguten Eignungstest ohne Abitur machen. Für den Test habe ich während der Ausbildung noch ein Jahr lang Naturstudium und Aktstudium ganz intensiv auf der Heidecksburg betrieben. Jeden Mittwoch und Samstag bin ich von Halle nach Rudolstadt gefahren und habe Kurse besucht.
Ich habe Modedesign in Schneeberg in Sachsen und in Finnland studiert. Zu der Zeit wurde gerade ein Programm für einen „double degree“ (Anm.d.Red.: Doppelabschluss) entwickelt. So bin ich nach dem Praktikumssemester in Finnland geblieben und habe parallel studiert und zwei Abschlüsse gemacht: ein Diplom und einen Bachelor.
Im Februar 2007. Direkt nach dem Studium. Im November habe ich meinen Businessplan geschrieben und parallel an Wettbewerben teilgenommen. So konnte ich zum Beispiel mit der Stiftung der deutschen Bekleidungsindustrie zur ISPO nach München fahren. Dort war die Resonanz sehr gut. Dann habe ich in Dresden einen Preis bekommen und eine meiner Jacken wurde in der Burda abgedruckt. Dazu gab es einen Stoffgutschein im Wert von 500 Euro. Wenn man anfängt, ist das echt super.
Daher kam die Idee, auch wenn ich das eigentlich nicht wollte. Aber was ich wollte, war eine eigene Werkstatt. In Finnland hatten wir so gute Werkstätten: eine Druckwerkstatt, eine Strickerei, das Lederstudio, die Näherei, das Schuhdepartment mit Spezialmaschinen und vieles mehr. Da gingen Welten für mich auf. Ich zeichne gern, ich entwerfe gern, aber ich mache eben auch gern. Und so kam es, dass ich nach dem Studium zu Hause in meinen Zimmer saß, kräftig genäht und von einem eigenen Atelier geträumt habe.
Wo war zu dem Zeitpunkt zu Hause?In Rausdorf bei meinen Eltern, zwischen Jena und Stadtroda.
Im Februar 2007 habe ich angefangen, nach einer Werkstatt zu suchen. Erst wollte ich in den Bahnhof in Stadtroda einziehen. Da haben wir schon Tapeten abgekratzt. Die schöne Schalterhalle sollte der Showroom werden. Das hat sich aber zerschlagen. Ich bin dann nach Kahla und habe mein Atelier in einer alten Fabrik eingerichtet.
Katrin Sergejew. Den Namen hatte ich erst im Juni 2007. Ganz lange wusste ich nicht: Was packe ich auf die Sachen?
Tragbare, asymmetrische, leichte, wandelbare Mode. Mir ist es wichtig, dass sich die Sachen am Körper gut anfühlen, den ganzen Tag lang. Das ist das Hauptprinzip. Und dass man mit einem Teil ein bisschen mehr machen kann. Man kann sich verwandeln, muss aber nicht. Mit einem kleinen Koffer kommt man eine längere Zeit hin. Ich mache auch keine klassische Sommer- oder Wintermode. Meine Sachen kann man das ganze Jahr hindurch tragen.
In Apolda ist der Hauptsitz, hier wird alles gefertigt. In Jena und Weimar haben wir eigene Läden, das sind unsere Zweitniederlassungen. Außerdem beliefern wir Händler. Einige davon sind uns von Anfang an treu. Gleich nach dem ersten großen Wettbewerb, dem Baltic Fashion Award, hatte ich Kunden, die kontinuierlich geordert haben. Ich habe nie aktiv einen Vertrieb gestartet, das hat sich alles ergeben. Dann haben wir noch unseren Onlineshop, den ich mir vor vier Jahren finanziert habe und der nach einer etwas längeren Pause bald wieder online geht.
Hart. Und kalt. Tatsächlich bin ich nach dem Studium in ein großes Loch gefallen. Da ist man so behütet. Und plötzlich ist man allein im Atelier – auf 300 Quadratmetern. Ich hatte nur Öfen zum Heizen; es war sehr kalt. Und es war hart zu merken, was alles gemacht werden muss. Das lernt man im Studium nicht. Mode machen, das konnte ich. Aber das Business, das musste ich mir erarbeiten. Das hat zwei Jahre gebraucht, bis ich so richtig wusste, wie das funktioniert. Erst mit Apolda kam die Wendung. Da bin ich taktisch und kopfmäßig anders herangegangen, als direkt nach dem Studium.
Ein Start-up-Kredit, den ich bekommen habe. Zu der Zeit hatte ich von allen Seiten nur gehört: was, Mode? Da gingen viele Augenbrauen hoch. Ich hatte zum Glück einen Bankberater, der mich unterstützt hat. Und das trotz des schlechten Businessplans, wie er mir später berichtet hat (lacht). Ich hatte den allein geschrieben, mit einem Buch „Wie schreibe ich einen Businessplan?“.
Dann natürlich mein erstes Preisgeld mit dem Baltic Fashion Award. Das hat eine Basis geschaffen. Da konnte man mal planen, mal eine Maschine kaufen. Ich habe das immer alles in kaseee gesteckt. Ich wollte von Anfang an die Qualität haben. Man sieht es einem Teil an, wenn man keine ordentlichen Maschinen oder ein vernünftige Bügelanlage hat. Man muss mit den großen Firmen mithalten, auch wenn man deren Möglichkeiten nicht hat.
>Ich hatte diese Werkstatt in Kahla mit zwei Öfen. Ich habe jeden Sonntag Holz gemacht, vier Gitterboxen voll. Als ich dann einen Splitter in der Hand hatte, der operativ entfernt werden musste, habe ich gesagt: Ich kann nicht mehr. Ich hätte von Anfang an auf meinen Papa hören sollen (lacht). Der hat gleich gesagt: „Nimm was mit Heizung!“. Aber es war Sommer und ich habe nicht an den Winter gedacht. Hätte ich von Anfang an eine Standortrecherche gemacht, wäre mir vielleicht aufgefallen, dass Apolda eine sehr gute Basis ist. Ich bin sowieso ständig nach Apolda zu Textilfirmen gefahren. Eines Tages stand ich hier im Lederatelier und hatte schon „Ich suche eine neue Werkstatt“ auf meiner Stirn stehen. Und hier im Haus gab es freie Räume – drei Wochen später waren wir drin. Das war der Grundstein. Von da an hat sich viel bewegt.
Ich hatte schon in Kahla einen Azubi. Das war meine erste Mitarbeiterin, die mit mir den ganzen Tag da ist. Dann kam eine 450-Euro-Kraft. In Apolda hatten wir auf einmal so viel zu tun, dass ich wirklich jemanden eingestellt habe. Und das war ein Gefühl von: Kann ich so viel abgeben? Mir ist es wichtig, dass es allen gut geht. Dafür muss man behutsam und vorsichtig sein.
Ich hätte gern einen Investor gehabt. Das Finanzielle ist die größte Hürde, weil du nichts planen kannst. Es müssen die Materialien und Stoffe vorfinanziert werden und ich muss immer schauen, dass wir einerseits genug zu tun haben und andererseits alles schaffen. Kopfmäßig musste ich lernen, eine Unternehmerin zu werden.
Im Urlaub, wenn ich mich erhole. Wenn ich Ruhe habe, kommen mir die Bilder. Das ist meine Hauptinspiration: Ruhe und Erholung bringen mir die Modelle. Jede Kollektion hat ihre Geschichte, je nachdem wie es mir beim Entwurf ging. Da kann man über die Jahre viel herauslesen. Ich finde das ganz spannend.
– Katrin SergejewWenn man ein gutes Gefühl hat, sollte man das machen und sich nicht von anderen beeinflussen lassen. Sonst hätte ich wohl nicht gegründet.
Eine große im Jahr. Wir machen alles selbst, mehr schaffen wir nicht. Ich möchte auch nicht, dass wir hier Überstunden schrubben. Über das Jahr hinweg gibt es immer mal neue Modelle, die wir bei unserem Modebrunch zeigen.
Der ist eigentlich nur entstanden, weil ich von Kahla nach Apolda gezogen bin. Und den machen wir bis heute. Jeden ersten Samstag im Monat kann man mit vorheriger Anmeldung ins Atelier kommen, stöbern, sich die Werkstatt anschauen.
Es ist eine schöne Anerkennung für den Mut, den man aufbringt und das Risiko, das man eingeht. Es gibt einem ein gutes Gefühl. Es zeigt: Wenn man wirklich etwas will, wenn man einen Traum hat, dann kann man das auch erreichen. Auch wenn man viele Stolpersteine überwinden muss.
Schon. Zu meiner Zeit gab es das gar nicht. Ich finde es toll, dass es jetzt Programme gibt, dass sich Gruppen finden. Das ist spannend, weil man sich austauscht, weil man mutig bleibt. Man hört, wie es woanders ist. Gerade wenn man frisch gegründet hat, ist so ein Austausch wichtig.
Ich sage immer: Ich bin glücklich, wenn es so weitergeht, wie es jetzt ist. Dass wir Schritt für Schritt voran kommen. In Erfurt oder Leipzig würde ich gern noch einen Shop haben. Der direkte Vertrieb funktioniert gut für uns. Das will ich weiter ausbauen und neue Händler akquirieren, damit kaseee noch weiter in die Welt getragen wird. Mein Hauptwunsch ist aber einfach, dass ich weiter kreativ bleiben kann.
Immer aus dem Bauch heraus entscheiden. Wenn man ein gutes Gefühl hat, sollte man das machen und sich nicht von anderen beeinflussen lassen. Sonst hätte ich wohl nicht gegründet.
Den Mut nicht verlieren. Mut ist ein großes Thema, wenn man sich selbstständig macht. Dass man die Ängste nicht zulässt.
Das Netzwerk pflegen. Man muss Menschen treffen, die einem helfen und einen unterstützen. Mir wurden auch mal Türen aufgemacht.
Und Apolda. Ich bin „die aus Apolda“. Ich bin nicht aus Berlin, neben den vielen anderen. Das war immer mein Glück.