„Es ist kein Euro liegengeblieben“
#TABinterview mit Michael Klughardt
Perspektivwechsel: Das #TABinterview führt in diesem Fall das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWi) mit Michael Klughardt. Unser TAB-Kundenbetreuer gibt in der Rückschau einen Überblick über Thüringer Erfolgsgeschichten der regionalen Wirtschaftsförderung und zeigt auf, was sich ab 2022 im Programm der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) ändert.
Herr Klughardt, welche Bedeutung hat für Sie die GRW-Förderung?
Die GRW ist das wirksamste Programm der Wirtschaftsförderung. Die großen Erfolge der Thüringer Wirtschaft in den letzten 30 Jahren – eine Industriequote über dem deutschen Durchschnitt, eine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und die Entstehung starker mittelständischer Industrieunternehmen – wären ohne die GRW nicht möglich gewesen. Wir sind ja vor allem ein Land des inhabergeführten Mittelstands, nicht der verlängerten Werkbänke. Und die hätten ohne GRW-Förderung keinen modernen Kapitalstock aufbauen können.
Wie sehen Sie die GRW-Förderung in den letzten Jahren? Was wurde erreicht?
Thüringen hat heute weitaus stärkere Wirtschaftsstrukturen als 2014, das ist auch ein Verdienst der GRW-Förderung. Seit 2015 sind fast eine Milliarde Euro geflossen. Die GRW-Mittel waren immer stark nachgefragt, es ist kein Euro liegengeblieben. Die Stellschrauben wurden immer wieder an die Bedingungen angepasst, ohne das Grundkonzept zu ändern. Ab 2018 wurde die GRW-Unternehmensförderung stärker auf die Produktivität ausgerichtet; seitdem war die Sicherung von Arbeitsplätzen keine Fördervoraussetzung mehr. Stattdessen wurde die Lohnsumme als Kriterium eingeführt. Diese Anpassung der Förderbedingungen, die Kunden, Kammern und Verbände auch in unseren Beratungen immer wieder angeregt hatten, wird gern in Anspruch genommen.
Wie hat sich die GRW-Förderung in den Corona-Jahren 2020 und 2021 entwickelt?
2020 ging die Nachfrage nach GRW-Mitteln in der Unternehmensförderung leicht zurück, 2021 war dagegen ein Rekordjahr. Die Fördermittel für Unternehmen waren bereits Mitte August erschöpft. Die Unternehmen haben die Verbesserungen bei den Fördersätzen im Zuge der Corona-Krise sehr gern genutzt. Aus Beratersicht ging es hier insbesondere darum, die Möglichkeiten innerhalb der Kleinbeihilfenregelung zu vermitteln, gerade auch in Kombination mit anderen Kleinbeihilfen, wie dem KfW-Schnellkredit. Auf die GRW-Infrastrukturförderung hatte Corona keine Auswirkungen.
Können Sie für die GRW-Förderung in den letzten zwei Jahren Beispiele nennen?
Sicher, in der Unternehmensförderung ist die Senova GmbH in Weimar ein schönes Beispiel. Das Unternehmen entwickelt und produziert insbesondere medizinische Schnelltests. Es investiert unter anderem in Roboter-, Steuerungs- sowie Kühlzellensysteme. In der Infrastrukturförderung wären hier insbesondere Investitionen in Zusammenhang mit der Bundesgartenschau in Erfurt zu nennen. Investiert wurde zum Beispiel in das weltweit erste Wüsten- und Urwaldhaus Danakil, ein touristisches Projekt mit deutschlandweitem Alleinstellungsmerkmal.
Wo sollte die GRW aus Sicht eines Wirtschaftsförderers in den nächsten Jahren ansetzen?
Die gezielte Förderung der heute noch wirtschaftlich schwächeren Gebiete wird im Vordergrund stehen. Angesetzt werden muss vor allem bei der weiteren Produktivitätssteigerung. Und nicht zu vergessen: Die Thüringer kleinen und mittleren Unternehmen müssen in den nächsten fünf bis sieben Jahren ihren Kapitalstock anpassen. Das gilt vor allem für die Kfz-Zulieferer – Stichworte sind Elektromobilität, Digitalisierung, Nachhaltigkeit – aber auch für den Maschinenbau oder die Ernährungswirtschaft.
Was ändert sich durch die neue GRW-Fördergebietskarte ab 2022 für Ihre Region?
Thüringen war bisher einheitlich C-Fördergebiet, thüringenweit galten grundsätzlich die gleichen Förderkonditionen. Die künftige Aufteilung in C- und D-Fördergebiete ist Ausdruck gestärkter Wirtschaftsstrukturen. Insbesondere städtische Gebiete mit ihren Einzugsgebieten, also Erfurt, Weimar und Jena, aber zum Beispiel auch der grenznahe Eichsfeldkreis haben sich wirtschaftlich besonders gut entwickelt. Mit den neuen Regularien steht also die gezielte Förderung der heute noch wirtschaftlich schwächeren Gebieten im Vordergrund. Positiv ist, dass künftig in Landkreisen mit besonders negativer demografischer Entwicklung der Beihilfehöchstsatz um 5 Prozentpunkte angehoben werden kann.