Die diesjährige Gartensaison startete bereits früh und nahm dann spätestens nach den letzten Frosttagen so richtig an Fahrt auf. Bevor die erste Ernte zum Verkauf steht, treffen wir Anna Meincke, Gründerin der Stadtfarm „Dachgemüse“ im Norden Erfurts. Hier neben dem Kontor hat die studierte Umweltingenieurin vor zwei Jahren aus einem alten Gleisbett auf insgesamt 1.500 qm eine fruchtbare Oase geschaffen, in der sowohl klassische Gemüsesorten als auch Raritäten auf Kund*innenwunsch kultiviert werden.
Zur Website von DachgemüseWas ursprünglich als Hobby auf der Dachterrasse begann, ist heute die Existenzgrundlage für Anna Meincke und ihre Mitarbeiterinnen. Übergeordnetes Ziel ist es, den Gemüseanbau selbst auf kleinsten Flächen in der Stadt zu ermöglichen und urbane Zentren grüner zu machen.
Anna Meincke: Ich habe damals mit Satellitenbildern nach passenden Flachdächern in Erfurt gesucht und bin dann so auf das Kontor gestoßen. Der Eigentümer hat mich zwar nicht auf sein Dach gelassen, aber die alte Gleisanlage mit einem vorhandenen Gewächshaus und einer Terrasse neben dem Kontor bildeten eigentlich die perfekte Ausgangsbasis für mein Vorhaben. Ich suche immer noch nach passenden Dächern für eine zweite Anbaufläche, was sich aber nicht so einfach gestaltet.
Anna Meincke: Ich habe mich damals als Einzelunternehmerin selbstständig gemacht. Vorher habe ich mich intensiv informiert und die Gründung vorbereitet. Dazu gehörten ein Businessplan und die Finanzierung, die ich schließlich über ein Darlehen und ein Crowdfunding stemmen konnte. Leider passte mein Projekt damals in kein Förderprogramm, da meine landwirtschaftliche Anbaufläche für die Programme in diesem Bereich einfach zu klein war. Insgesamt verlief die Gründung dennoch reibungslos und schnell, denn vom Anschauen der Fläche hier bis zum ersten Spatenstich ist letztlich nur rund ein halbes Jahr vergangen.
Anna Meincke: Ich wollte das geschäftliche Risiko von Beginn an streuen und hatte in meiner Geschäftsidee daher den Gemüseanbau- und verkauf, einen eigenen Onlineshop mit Saatgut und Jungpflanzen und eigene Veranstaltungen und Workshops geplant. Alles gleichzeitig zu starten ist natürlich schwierig, aber jede Jahreszeit hat mittlerweile ihre Schwerpunkttätigkeiten hervorgebracht. In der Hauptsaison für den Pflanzenanbau sind wir vor allem im Mai und Juni vorrangig draußen in den Beeten, hier gibt es auch die größte Nachfrage nach Veranstaltungen und Workshops. Da werden dann ordentlich Überstunden fällig, die wir dann im Winter wieder abbauen können.
Anna Meincke: Die Gemüse-Boxen im Abo-Modell bilden ein wichtiges Standbein, geben eine gewisse Sicherheit und gewährleisten auch, dass weniger weggeworfen wird. Wir haben sowohl jahrelang treue Abonnentinnen und Abonnenten als auch wechselnde Kundschaft. Von den 30 Kisten Gemüse, die wir hier pro Woche in der Hauptsaison ernten können, sind jetzt im März bereits die Hälfte im Abo reserviert. Ein hoffnungsvoller neuer Ansatz ist die Belieferung der lokalen Gastronomie. Wir bauen hier mittlerweile auf Kundenwunsch auch spezielle Sorten an.
– Anna MeinckeWir konkurrieren mit landwirtschaftlichen Produkten die zu niedrigsten Preisen aus dem Ausland importiert werden. Da ist es extrem schwer für regionale Produkte, die umweltschonend und sozial gerecht erzeugt wurden, angemessen entlohnt zu werden.
Anna Meincke: Der Anbau erfolgt in Mischkulturen, die sich gegenseitig ergänzen und Rückzugsräume für Insekten schaffen, die Nützlinge bekämpfen dann die Schädlinge. Auf dem Gelände haben wir Bienen eines Erfurter Imkers stehen, die unsere Pflanzen auch gern besuchen. Das biologische Gleichgewicht stellt die Natur also im Idealfall selbst her.
Anna Meincke: Wir benötigen natürlich insbesondere in der Hauptsaison sehr viel Wasser. Wir nutzen allerdings keinerlei Leitungswasser. Dies ist der glücklichen Konstellation zu verdanken, dass wir neben dem Gebäude ein Regenrückhaltebecken haben, was über eine Pumpe die Tröpfchenbewässerung unserer Beete gewährleistet. Wenn dieses leer ist, haben wir auch noch einen Brunnen, den wir dann anzapfen können. Unser Strombedarf hält sich zum Glück auch in Grenzen, was uns eine gewisse Planungssicherheit für diese Kostenpositionen gibt. Gedüngt wird ausschließlich mit biologischen Düngern wie Schafswolle, Brennnesseljauche oder verbrauchtem Pilzsubstrat von der Erfurter Pilzmanufaktur.
Anna Meincke: In der Tat suche ich bereits seit einer Weile nach neuen geeigneten Flächen, was sich jedoch nicht so einfach gestaltet. Personell bin ich damals allein gestartet und erhielt anfangs auch viel Hilfe aus dem Familien- und Bekanntenkreis. Nachdem ich zunächst auch zwei Minijobberinnen beschäftigt habe, freue ich mich nun seit diesem Jahr über meine erste richtige Mitarbeiterin. Und auch finanziell haben wir eine neue Säule. Dank eines neuen Förderprogramms vom Freistaat kann ich als Junglandwirtin nun eine finanzielle Unterstützung in den kommenden drei Jahren erhalten.
Anna Meincke: Enorm wichtig. Wir konkurrieren mit landwirtschaftlichen Produkten die zu niedrigsten Preisen aus dem Ausland importiert werden. Da ist es extrem schwer für regionale Produkte, die umweltschonend und sozial gerecht erzeugt wurden, angemessen entlohnt zu werden. Das funktioniert nur mit zielgerichteten Fördermitteln, unabhängig von der Betriebsgröße.
Anna Meincke: Die mediale Aufmerksamkeit hat zur Bekanntheit von Dachgemüse bei den Kundinnen und Kunden beigetragen, aber auch die Wahrnehmung in der Branche verbessert. Ich habe festgestellt, dass die Präsenz auf Social-Media-Kanälen für bestimmte Zielgruppen sehr wichtig ist.
Anna Meincke: Natürlich in erster Linie über das Internet. In die Suchmaschinenoptimierung unserer Website investiere ich regelmäßig Zeit, was zu vorderen Plätzen in Suchmaschinen und deutschlandweiten Zugriffszahlen auf den Onlineshop führt. Aber auch die sozialen Medien sind wichtig. Meine Hauptplattform hier ist Instagram, wo die Bilder und Impressionen im Mittelpunkt stehen.
Vielen Dank für das Interview!
Der AgraNova-Innovationspreis wurde erstmals 2018 ausgelobt. Mit ihm sollen Unternehmen, Institutionen, Organisationen und Verbände besonders gewürdigt und öffentlich bekannt gemacht werden, die innovative Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen für die Land-, Forst- oder Ernährungswirtschaft entwickelt haben.
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