„Das Team hat sich auf viel eingelassen!“

#TABInterview zu Sustainable Finance

Wie nachhaltig macht es uns als Förderbank, wenn wir gut ein Dutzend Förderprogramme bearbeiten, die sich um Klimaschutz drehen? Wenn wir auf Ökostrom wechseln, Beleuchtungskonzepte anpassen, Papier einsparen? Wir sind in diesen Fällen eher Followerin der Politik und des Marktangebotes. Aber der Hebel „Nachhaltigkeit“ könnte uns auch zur Akteurin und Beraterin werden lassen und einen Paradigmenwechsel in unserem Haus einläuten.

Doch wie vorgehen, um Trends und Entwicklungen vorherzusehen und Impulse für Thüringen zu geben? Das war die Frage an unsere „Werkbank“, eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe in der TAB, die sich seit 2016 mit eben solchen übergreifenden Themen für die Bank beschäftigt. Schnell wurde klar: Wir brauchen ein methodisches, wissenschaftliches Fundament zum Thema „Sustainable Finance“. Deshalb beauftragten wir im Sommer 2020 eine eigene Studie, um einerseits unseren Blick zu weiten und andererseits einen Rahmen für die weiterführende Analyse zu erarbeiten.

Im #TABinterview sprachen wir darüber mit Juliane Corredor, Wissenschaftlerin an der Willy Brandt School of Public Policy, und Frederike Knuth, Sozialwissenschaftlerin, die die Studie für uns durchgeführt haben.

Juliane Corredor (Portraitfoto)

Juliane Corredor

Juliane Corredor ist Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Willy Brandt School of Public Policy (Erfurt). Zuvor studierte sie an der Sciences Po Paris Staatswissenschaften und Umweltpolitik. Sie forscht zum Thema nachhaltiges Unternehmertum im Kontext von Digitalisierung und internationaler Entwicklung.

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Frederike Knuth (Portraifoto)

Frederike Knuth

Frederike Knuth ist Business Analystin bei Moysies & Partner IT- und Managementberatung mbB in Hamburg im Bereich Public Services/ digitale Transformation. Zuvor studierte sie Soziologie und Politikwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Marketing-Management an der Dublin Business School. In ihrer Masterarbeit untersuchte sie die Rolle der Landesförderbanken für die Sustainable-Finance-Entwicklung in Deutschland.

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Was interessiert Sie am Thema Sustainable Finance im Besonderen?

Frederike Knuth: „Für mich persönlich war der Start eine Reportage, in der Sustainable Finance als neues Thema angeschnitten wurde. Ich war gerade in der Themenfindung für meine Masterarbeit. Ich bin relativ unwissend in das Thema hineingestolpert. Erst durch das TAB-Projekt und die Auseinandersetzung mit der internationalen und nationalen Literatur habe ich gemerkt, was für ein Sprengstoff dahinter steckt.“

Juliane Corredor: „Ich kam schon zu meiner Masterzeit in Umweltpolitik in Frankreich in Berührung mit dem Thema. Das war 2015, zur Zeit des Pariser Klimaabkommens. Eines der zentralen Themen des Klimaabkommens ist die Frage nach der Finanzierung. Wie finanzieren die entwickelten Staaten die Transition in den Entwicklungsländern? Anhand dieses Schwerpunkts wusste ich, dass Sustainable Finance wichtig sein wird, um diese umweltpolitischen Ziele zu erreichen. Umso mehr habe ich mich gefreut, dieses Projekt in der Praxis zu begleiten.“

Wie sind Sie mit der TAB zusammen gekommen?

Frederike Knuth: „Das war aufregend. Der Kontakt wurde über meine Professorin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena hergestellt. Sie wurde von einem Mitglied der Werkbank angeschrieben. Vorher hatte ich in einem Forschungskolloquium erzählt, dass ich Sustainable Finance als Thema für meine Masterarbeit spannend finden würde. So bin ich zur TAB gekommen. Und dann ging die Reise los."

Juliane Corredor: „Bei mir war es ähnlich. Ich wurde direkt angeschrieben, die Werkbank hatte mich über die Website der Uni Erfurt gefunden.“

In welcher Konstellation haben Sie mit der TAB zusammengearbeitet?

Frederike Knuth: „Ich war als Werkstudentin angestellt für sechs Monate. Wir sind das erste Mal im Mai 2020 zusammengekommen, offizieller Kickoff war im August und das Projekt lief bis Januar 2021.“

Juliane Corredor: „Ich war als freie Mitarbeiterin für den gleichen Zeitraum angestellt.“

Was waren die besonderen Herausforderungen dieses Projekts?

Frederike Knuth: „Die erste Herausforderung war, die konkrete Fragestellung zu definieren. Da war die TAB auch von Anfang an transparent: Wir haben erfahren, dass es von der Werkbank schon mal einen ersten Entwurf gab. Allerdings wurde deutlich, dass das Thema anders angegangen werden muss und dass die TAB eine wissenschaftliche Komponente braucht. Die zweite Herausforderung war der Umfang. Sustainable Finance ist kein fest definierter Begriff. Wir haben 73 Texte analysiert und weitaus mehr gesichtet. Hier eine Auswahl zu treffen, das war schwer. Das Projekt war von Anfang an von Limitierung begleitet.“

Juliane Corredor: „Ich stimme da vollkommen zu. Diese Fülle an Aspekten, die man mit hinein bringen könnte. Ich würde noch ergänzen, dass es für mich eine Herausforderung war, die abstrakte Ebene auf Thüringen und auf die TAB herunterzubrechen. Wie kann man das Wissen, welches wir jetzt synthetisiert haben, wirklich gewinnbringend umsetzen? Was kann die TAB konkret daraus lernen?“

Frederike Knuth: „Eine Herausforderung war auch das Konstrukt Förderbank. Ich wusste vorher nicht, dass es überhaupt Förderbanken gibt. Weder in Thüringen, noch woanders. Jetzt wo ich mich auch im Rahmen meiner Masterarbeit so intensiv mit Förderbanken beschäftigt habe, finde ich es erstaunlich, dass es zu diesem Themenfeld nicht tiefgreifendere Forschung gibt. Wir haben festgestellt, dass die zu Beginn aufgestellten Thesen für eine Förderbank anders dekliniert werden müssen.“ 

Inwiefern nehmen Förderbanken da eine besondere Rolle ein?

Frederike Knuth: „Man muss das im Kontext des Zwecks einer Förderbank sehen, ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag. Das Thema muss anders bearbeitet werden als es beispielsweise eine gewinnorientierte Bank angehen würde. Wir haben es so wahrgenommen, dass Förderbanken stärker als Gestalter auftreten können, gesamtgesellschaftlich gesehen. Auf der anderen Seite ist es kontrovers: Eine Förderbank schreibt zum Beispiel auf ihrer Website: „Förderbanken sind per se nachhaltig“. Das ist eine These, die durchaus diskutiert werden kann. Die Herausforderung liegt darin, dass es nicht den einen Weg gibt."

Frederike Knuth (Portraifoto)

Das Thema muss anders bearbeitet werden als es beispielsweise eine gewinnorientierte Bank angehen würde. Wir haben es so wahrgenommen, dass Förderbanken stärker als Gestalter auftreten können, gesamtgesellschaftlich gesehen.

– Frederike Knuth

Was war am Ende die konkrete Forschungsfrage der Studie?

Frederike Knuth: „Wir sind gestartet mit: „Was bedeutet Sustainable Finance für eine Förderbank?“ Mit dem Weitblick auf die Frage: „Wie sieht eine nachhaltige Förderbank aus?“. Allerdings haben wir sehr schnell im Projekt gemerkt, dass wir das auf eine praktikablere Ebene bringen müssen.“

Juliane Corredor: „Wir haben als analytisches Raster letztlich die einzelnen Geschäftsfelder der TAB genutzt. Die waren ein guter Filter und so konnten wir auch den Zeitrahmen einhalten.“

Frederike Knuth: „Es ging auch darum, die Ergebnisse für die TAB nutzbar zu gestalten. Ich weiß nicht, wie das angekommen wäre, wenn wir 100 Seiten Ausarbeitung im Fließtext gemacht hätten. Uns wurde schnell klar, dass das ein Thema ist, was die Bank in ihren Strukturen durchaus verändern könnte. Es ging darum, dass die verschiedenen Fachbereiche schnell auf dieses Wissen und die Ergebnisse zugreifen können.“

Wie sind Sie vorgegangen?

Juliane Corredor: „Wir hatten die Prämisse, den Blick zunächst zu weiten und das dann durch die verschiedenen Ebenen zu deklinieren. Wir haben damit begonnen, Dokumente zu sichten in den Ebenen „global“, „europäisch“ „Deutschland“, „Thüringen“. Im Anschluss haben wir eine strukturierte Inhaltsanalyse gemacht.“

Frederike Knuth: „Es war wichtig, dass wir am Ende die Transformation und die Trends identifizieren. Dass wir nicht wiedergeben, was schon in Gesetzestexte gegossen ist. Uns ging es darum zu wissen: Was kommt zukünftig?“

Was würden Sie denn sagen, sind die drei Top Trends?

Frederike Knuth: „Ich würde auf jeden Fall sagen: Kreislaufwirtschaft.“

Juliane Corredor: „Digitalisierung zieht sich immer durch. Und Resilienz.“

Frederike Knuth: „Ja. Wir haben festgestellt, dass auf globaler und europäischer Ebene viel von Resilienz gesprochen wird. Und das Konzept ist genauso schwammig wie Sustainable Finance. Aber letztlich spricht es die Lernfähigkeit von Systemen an. Und wir hatten am Ende die These, dass eine resiliente Förderbank gleichzeitig nachhaltig ist und eigentlich sogar noch etwas mehr, weil sie lernfähiger ist.

Juliane Corredor: „Das ist auch näher an der Finanzwelt dran, weil es hier um Risiken geht. Die Klimarisiken werden nicht mehr wegzudenken sein und die damit einhergehenden Finanzrisiken. Irgendwann müssen wir es begreifen: Klima und Umwelt sind die Provider für alles.“

Frederike Knuth: „Das war auch eine Herausforderung: Wir reden von „systemisch“ und „Akteuren“ und das erzählt man dann Juristen und Bankern." (lacht)

Juliane Corredor: „Wir haben uns immer gut abgestimmt, was wir präsentieren und es immer versucht konkreter zu machen. Wir sind ja auch im Elfenbeinturm.“

Frederike Knuth: „Die TAB hat uns da auch sehr vertraut. Da gab es keine Skepsis, wenn da jetzt zwei Soziologinnen kommen. Das Team hat sich auf viel eingelassen.“

Juliane Corredor (Portraitfoto)

Die Klimarisiken werden nicht mehr wegzudenken sein und die damit einhergehenden Finanzrisiken. Irgendwann müssen wir es begreifen: Klima und Umwelt sind die Provider für alles.

– Juliane Corredor

Was haben Sie persönlich aus dem Projekt mitgenommen?

Frederike Knuth: „Ich bin in die Beratung der öffentlichen Verwaltung gegangen. Das hätte ich ohne das TAB-Projekt nicht gemacht. Einfach weil ich gemerkt habe, dass Verwaltungen, öffentliche Institutionen extrem spannend sind und einen großen Einfluss haben. Dieses Projekt für eine Förderbank gemacht zu haben, finde ich spannender, als für eine normale Geschäftsbank. Da sind vielleicht die Bilder immer ein bisschen bunter und die Werbeslogans gewagter. Aber ich muss sagen, es hat mich beeindruckt, was Förderbanken für einen Einfluss, für einen Gestaltungswillen und Gestaltungskraft haben. Das hat mich sehr weitergebracht.“

Juliane Corredor: „Für mich war das kontinuierliche Zusammenarbeiten mit der TAB und der Perspektivwechsel aus der Theorie in die Praxis spannend. Wir haben jetzt diese tollen theoretischen Sachen herausgefunden, aber wie wird das jetzt umgesetzt? Dieser Teufel im Detail, das ist das, worauf es ankommt. Das ist ein richtiger Lernprozess. Gerade die Texte auf globaler Ebene: Das liest sich alles sehr schön und die großen Wörter beeindrucken, aber je tiefer man kommt, je regionaler es wird, umso mehr geht es um die Umsetzung.“

Frederike Knuth: „Was wir auch gelernt haben: Man muss die Normativität aus dem Thema herausnehmen. Es darf nicht nur heißen: Du musst, du musst, du musst. Sondern es gilt zu schauen: Was passt für Thüringen und die Menschen? Das ist ja auch der TAB-Slogan: Thüringen lebenswert machen. Das ist die Motivation für die eigene Arbeit: Dass man seinen kleinen Beitrag leisten kann.

Mehr zur Studie in einem Gastbeitrag von Matthias Wierlacher

Mehr zur Studie in einem Gastbeitrag von Matthias Wierlacher

Die Studie war auf eine Laufzeit von 6 Monaten angelegt und startete im Sommer 2020. Ausgangspunkt war eine vergleichende Analyse von insgesamt 73 Dokumenten, die für das Thema auf globaler, europäischer, nationaler sowie regionaler Ebene wesentlich sind. Auf dieser Basis wurden in der weiteren Bearbeitung drei Handlungsfelder für nachhaltiges Agieren einer regionalen Förderbank identifiziert: Förderwirkung aufbauen, Förderwirkung prüfen, Ausgestaltung einer nachhaltigen Organisation.

Mehr zur Studie und zum konkreten Vorgehen lesen Sie in einem Gastbeitrag von TAB-Vorstand Matthias Wierlacher im Sonderheft Förderbanken.

zum Sonderheft Förderbanken
Werkbank (im Bild: eine Illustration in grün und blau, vier Menschen sitzen an einem Tisch und diskutieren und arbeiten)

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Die Werkbank ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe innerhalb der TAB. Mitarbeiter*innen mit ganz unterschiedlichen fachlichen Hintergründen kommen zusammen, um aktiv und methodisch Innovationen für die Thüringer Aufbaubank zu generieren. Der Fokus liegt dabei auf der digitalen Optimierung oder Umgestaltung von Prozessen. Ziel der Werkbank ist es, eingebrachte Ideen „projektreif“ zu machen, um diese dann in die Umsetzung überführen zu können.

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