„Wir müssen uns den Herausforderungen stellen“

Das #TABinterview mit dem Projekt "BeerenKlima"

Die Initiatoren vom Projekt Beerenklima: v.l.n.r. Carolin Leefers (Geschäftsführerin Erdbeerhof Gebesee), Sören Leefers (Geschäftsführer Erdbeerhof Gebesee), Jonathan Köber (Geschäftsführer zupar.energie GmbH).

Können Erdbeeren ihre tolle Farbe und das unvergleichliche Aroma auch unter einem Dach aus Solarmodulen entwickeln? Mit dieser zentralen Frage beschäftigt sich das Forschungsprojekt „BeerenKlima“ auf dem Erdbeerhof in Gebesee. Im #TABinterview erfahren wir mehr über den Pioniercharakter des Projekts, die aktuelle Situation auf dem Erdbeermarkt und die Zukunftsaussichten der Branche. Dazu haben wir mit den Projektverantwortlichen Carolin Leefers (Geschäftsführerin Erdbeerhof Gebesee), Sören Leefers (Geschäftsführer Erdbeerhof Gebesee) und Jonathan Köber (Geschäftsführer zupar.energie GmbH) gesprochen.

Zur Website vom Erdbeerhof Gebesee

Herr Leefers, wie kam es zur Idee für das Projekt „BeerenKlima“?

Sören Leefers: Nach einem bangen Blick auf die neuen Strom-Verträge machten wir uns vor rund einem Jahr auf die Suche nach Zukunftslösungen für den wirtschaftlichen Betrieb unseres Erdbeerhofs. Da wir bereits auf langjährige positive Erfahrungen mit unseren bestehenden Photovoltaikanlagen zurückblicken und mittlerweile auch die Wasserversorgung mit eigenem Strom bewältigen können, wollten wir hier anknüpfen. So kam es zur Idee, die Erdbeeren unter Solarmodulen anzubauen. Wir wollen den Eigenstromanteil stetig erhöhen, um teuren Bezug zu vermeiden. Übergeordnet kann man folgende drei Projektziele festhalten: Erdbeeren in neuen Anbauformen kultivieren, Strom produzieren und die wichtige Ressource Wasser sammeln.

Was genau wird während der Projektlaufzeit untersucht?

Carolin Leefers: Die Kernfrage lautet: Wieviel Licht braucht die Erdbeere zu welcher Zeit, um genau den Geschmack zu erzielen, nach dem sich der Kunde sehnt? Im Sommer bekommt die Erdbeere genügend Licht, hier arbeiten wir schon länger mit Verschattungen, die auch während einer nun häufiger auftretenden Hitzeperiode von Vorteil sind. Auch im Herbst brauchen die Pflanzen Licht, um z.B. Blütenansätze bilden zu können.

Sören Leefers: Im Frühjahr 2024 ist der Aufbau einer Pilotanlage in der Halle geplant, mit der wir erste Simulationen und Versuchsreihen durchführen können. Wir erforschen dann u.a., wieviel Sonneneinstrahlung in den verschiedenen Wachstumsphasen der anspruchsvollen Erdbeerpflanzen benötigt wird und wie die Pflanzen auf unterschiedliche Verschattungen reagieren. Am Ende des Projekts möchten wir gesichert sagen können, ob der anspruchsvolle Erdbeeranbau unter einer Agri-PV-Anlage möglich ist oder nicht.

Carolin Leefers (Geschäftsführerin Erdbeerhof Gebesee) und Sören Leefers (Geschäftsführer Erdbeerhof Gebesee) in einem Erdbeertunnel.

In 10 Jahren werden wir in Deutschland keinen großflächigen Freilandanbau von Erdbeeren mehr haben. Die Frage ist auch, welcher Anteil der Obst- und Gemüseproduktion zukünftig noch aus einheimischer Produktion stammt.

– Carolin Leefers und Sören Leefers (Erdbeerhof Gebesee)

Welche Partner*innen haben Sie für das Projekt gewinnen können?

Sören Leefers: Als Partner haben wir den Landesverband Gartenbau Thüringen, das Frauenhofer Institut für solare Energiesysteme Freiburg, die Fachhochschule Erfurt mit ihrem Bereich Gartenbau, die Firma AgriPV Solutions aus München sowie den Verein SolarInput aus Erfurt im Boot. Die zupar.GmbH aus Erfurt ist Mitinitiator und Projektkoordinator. Gemeinsam überzeugten wir die Thüringer Aufbaubank, das BeerenKlima über das Programm LFE (Förderung der Zusammenarbeit in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft) zu unterstützen. Los ging es dann am 1. Juli 2023.

Jonathan Köber: Im Gespräch mit der Aufbaubank haben wir gemeinsam entschieden, das BeerenKlima zunächst als Forschungsprojekt zu starten. Schließlich müssen wir Risiken evaluieren, bevor Millionen investiert werden. Wenn die Ergebnisse positiv ausfallen, könnten wir anknüpfen und das Thema Agri PV als erstes Großprojekt in Thüringen vorantreiben.

Wie hat sich der Anbau von Erdbeeren in heimischen Gefilden verändert?

Sören Leefers: Der Freilandanbau verschwindet zunehmend und wurde in den letzten Jahren durch den geschützten Anbau im Folientunnel ersetzt. Das hängt in erster Linie mit dem veränderten Klima zusammen, aber auch mit anderen Faktoren im Zuge des Transformationsprozesses. Jetzt gehen wir einen Schritt weiter. Auch bedingt durch Personalmangel und stark gestiegene Lohnkosten im Zuge des Mindestlohns, werden die Erdbeeren in eine so genannte Stellage überführt. Dies ermöglicht einfacheres Pflücken in rund einem Meter Höhe und zukünftig auch den Einsatz moderner Pflückroboter.

Sie sprechen von einer Transformation im Erdbeeranbau, können Sie das näher beschreiben?

Sören Leefers: Dieser Prozess ist bereits in vollem Gange. Ob Mindestlohn, Personalmangel, Strompreis oder gesetzliche Vorgaben wie die Wasserrahmenrichtlinie: Wir müssen uns den Herausforderungen stellen, wenn wir überleben wollen. Eine wichtige Rolle spielt auf jeden Fall auch das Thema Nachhaltigkeit. In zehn Jahren werden wir in Deutschland keinen großflächigen Freilandanbau von Erdbeeren mehr haben. In zwei bis drei Jahren stehen marktreife Pflückroboter zur Verfügung, die derzeit speziell für die Stellageproduktion entwickelt werden.

Jonathan Köber: Wir müssen in die Zukunft denken. Wenn wir nach dem Projekt „BeerenKlima“ eine große Solaranlage realisieren können, so steht diese für mindestens 20 Jahre. Daher muss die Anlage für neue Schritte in der Transformation vorbereitet sein, und dazu zählt vor allem der zukünftige Einsatz von Pflückrobotern.

Carolin Leefers: Die Produktion im Stellage-System verspricht höhere Erträge bei gleichbleibender Anbaufläche. Hier befinden wir uns noch mitten im Lernprozess, auch bezüglich der verwendeten Sorten. Ausschlaggebend für die Direktvermarktung ist auf jeden Fall der Geschmack, der auch während der Transformation nicht verloren gehen darf.

Jonathan Köber (Zupar GmbH).

„Im idealen Fall tragen wir ein großes Stück zur Thüringer Energiewende bei und produzieren weiterhin genügend leckere Erdbeeren für regional bewusste Konsumenten.“

– Jonathan Köber, Geschäftsführer zupar.energie GmbH

Wo sehen Sie größere Hürden auf dem Weg zu Thüringens erstem großem Agri PV-Projekt?

Jonathan Köber: Wir müssen uns natürlich im Baurecht bewegen und die Vorgaben des Netzbetreibers einhalten. Da der Strom nicht vollständig selbst verbraucht werden kann, wird die Anlage als Überschusseinspeisung konzipiert. Hier wird es spannend, denn um den Strom einspeisen zu können, soll eine sechs Kilometer lange Zuleitung zum nächsten Umspannwerk in Walschleben gelegt werden. Das ist praktisch nicht ohne weiteres umsetzbar. Wir sprechen außerdem von einem Umsetzungszeitraum von zwei bis vier Jahren aus Sicht des Netzbetreibers. Bei einer Investition in Höhe von mehreren Millionen Euro brauchen wir einfach eine gewisse Planungssicherheit.

Sören Leefers: Wir waren hier in der Region einer der ersten Betriebe, die bereits früh eine große Solaranlage auf die Produktionshallen installiert haben. Trotz der bisher sehr positiven Erfahrungen mit dieser Technik bewegen wir uns hier nochmal in einer anderen Dimension. Wir reden hier von einer Anlagenkapazität, die mehrere Megawatt umfasst. Ein Netzanschluss ist hier zwingende Voraussetzung, eine Insellösung mit Speichern ist in dieser Dimension nicht möglich, da der Strom hier schlichtweg nicht verbraucht werden kann.

Beim Thema Agri PV gibt es auch kritische Stimmen zur Flächenversieglung, das trifft hier nicht zu?

Jonathan Köber: Wir nehmen hier keine landwirtschaftlichen Flächen weg. Die bestehenden Anbauflächen im Betrieb sollen weiterhin für diesen Zweck benutzt werden. Im idealen Fall tragen wir ein großes Stück zur Thüringer Energiewende bei und produzieren weiterhin genügend leckere Erdbeeren für regional bewusste Konsumenten.

Wird das BeerenKlima ein Erfolg?

Sören Leefers: Wenn man einer der ersten ist, trägt man natürlich ein großes Risiko. Um dieses Risiko zu minimieren, führen wir das Projekt durch. Aber ohne solche Vorreiter kommen wir auch beim Thema Agri PV nicht voran. Natürlich muss die Politik auch über die Förderlandschaft hier die entsprechenden Voraussetzungen schaffen, um solche innovativen Ideen verfolgen zu können und international konkurrenzfähig zu bleiben. Wir sind auf jeden Fall optimistisch, den Transformationsprozess bewältigen zu können.

Jonathan Köber: Obwohl es die Technik längst gibt, hat noch niemand eine Agri PV-Anlage in Thüringen installiert, allein das ist Anreiz genug, dieses Projekt voranzutreiben. Wir wollen nicht nur darüber reden, sondern ein Leuchtturm werden.

Wir bedanken uns für dieses spannende Interview und wünschen Ihnen viel Erfolg im Projekt BeerenKlima!

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